Scipio
von Gottfried Kinkel
Schau
dort den Mann! Er kommt gegangen,
Die Toga lässig umgehangen:
Das ist der große Scipio,
Dem sich Karthago gab verloren,
Vor dem von Roms geborstnen Thoren
Des Barkas grauser Enkel floh.
Es ist der Weg zum Kapitole,
Den er mit ruhmbeschwingter Sohle
Als Triumphator einst erstieg.
Er geht mit ernster Römersitte
Auch heut hinauf in festem Schritte,
Als führt' er eine Schar zum Sieg.
Und dennoch dürft' er heute zagen!
Mag jedes Haupt er überragen,
Die Mißgunst haßt sein großes Thun.
Er ist verklagt als Landverräther,
Und vor dem Hof der greisen Väter
Erhebt die Klage der Tribun:
Wir haben Geld dir reich gesendet;
Es ward auf diesen Krieg verschwendet
Des Volkes Schweiß und letzte Kraft.
Dir haben wir uns überlassen,
Du hast verstreut des Silbers Massen:
Wohlan, so gieb uns Rechenschaft!
Stolz giebst du reiche Pracht zu schauen;
Rings an den Bergen, auf den Auen
Wird Oel und Korn und Wein dir reif.
Wer mag dem Zweifel da gebieten?
Und drum im Namen der Quiriten
Verklag' ich dich auf Unterschleif!
Da hebt sich Scipio vom Sitze,
Es bleiben seines Auges Blitze
Mitleidig auf dem Kläger ruhn.
Aufschlägt er eine Bücherrolle,
Und mild, als wüßt' er Nichts von Grolle,
Beginnt er seine Rede nun:
Leicht wär's, ihr Väter, mir zu rechten!
Ich schrieb im Feld in heißen Nächten
Dies Rechnungsbuch mit eigner Hand.
Von meinem Quästor untersiegelt,
Deß Lippe jetzt der Tod verriegelt,
Ist's meiner Ehre gültig Pfand.
Und weil mich die Erinn'rung freute.
So hielt ich's aufbewahrt bis heute:
Nun aber, dünkt michs, ist's genug.
Zu fragen nach Beweis und Pfande,
Es wäre mir und Euch zur Schande -
Dies meine Antwort: kommt zum Spruch!
Er schweigt und reißt das Buch in Fetzen
Und wirft es zu des Hofs Entsetzen
Auf's Kohlenbecken Stück für Stück.
Dann schürt bedachtsam er die Flammen,
Bis es zu Asche fiel zusammen,
Und geht zu seinem Sitz zurück.
Still wird's - dann jauchzt es in der Runde:
Frei, frei von Schuld! aus jedem Munde;
Der Kläger bebt in banger Scham.
Doch in dem wilden Beifallrufen
Neigt sich der Held und geht die Stufen
Hinab so ruhig, wie er kam.
Entstehungsjahr:
vor 1873
Erscheinungsjahr: 1872
Aus: Gedichte / Bilder aus Welt und Vorzeit
Referenzausgabe: Ohne Herausgeber:
Gedichte von Gottfried Kinkel,
Bd. 1. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart: 1872, S. 7 - 9
© 2000 Freiburger Anthologie (v. 1.91).
Mit
freundlicher Genehmigung von Freiburger
Anthologie

Weinhaus
Kinkel-Stuben
Weinstube · Weinhandel
Bärbel & Lothar Schrempp
Kinkelstraße 1
53227 Bonn (Oberkassel)
Tel: 0228 / 441558
Fax: 0228 / 443917
info@kinkelstuben.de
skype:
kinkel-stuben
Öffnungszeiten: ab 17.00 Uhr
täglich außer Dienstag